Vorgeschichte
Die Pandemie flacht etwas ab und es ist halbwegs absehbar, für meine Hauptarbeit wieder nach München fahren zu müssen. Was mich (neben den Kosten) daran immer etwas nervt, ist die Tatsache, dass der ÖPNV von mir zum nächsten Bahnhof eher mau ist. Mit dem Bus zu fahren kostete mich knapp eine Stunde mehr, und gerade früh am Morgen ist das keine Extrazeit, die ich zu bezahlen bereit bin. Also fahre ich mit dem Auto oder Motorrad, was auch Blödsinn ist: Genauso wie bei meinen Einkaufstouren sind die Motoren noch nichtmal warmgefahren, wenn ich ankomme. Und der Spaß am Bahnhof kostet halt auch nochmal 5€/Tag.
Also: Alternative suchen.
Vorbedingungen
- Ich bin nicht mehr der Jüngste,
- nicht mehr sonderlich fit,
- gesundheitlich vorbelastet,
- das Fahrzeug soll kostenarm mit nach München,
- es soll mich in München kostenarm begleiten,
- ich will es fahren dürfen wenn ich auf 3 Halbe in meine Münchner Stammpinte gehe.
Auswahl
Ein E-Roller fällt zwengs den 3 Halben aus, hier gilt die 0.5-Promille-Grenze (die ich angesichts des Gefährundgspotentials für Quatsch halte). Also bleiben Skates oder ein Fahrrad. Im ICE dürfen Falträder für lau mit, sie gelten als Gepäck. In München dürfen Fahrräder mit Rädern bis zu 20 Zoll für lau mit. Ein Fahrrad bekommt man mit E-Unterstützung. Na, da kann man ja mal auf die Suche gehen!
Schnell findet man die Platzhirschen: Brompton und NCM. Die Preise hier sind recht gesalzen, das ist mir den Spaß nicht wert. Günstiger findet man Räder mit 16”-Zoll-Bereifung oder noch kleiner, aus Gründen der Fahrstabilität mag ich das nicht. Soll ja auch etwas vorwärts gehen.
Auf der freundlichen chinesischen Handelsplattform findet man dann zwei potentielle Kandidaten für deutlich unter 1k €: Samebike und fiido. Generell habe ich mit Zeugs aus China wenig Probleme.
Vergleich
Also, auf in den Detailvergleich: Samebike hat einen stärkeren Motor (350W vs 250W), was kritisch sein kann: In Deutschland dürfen die Räder höchstens 250W Dauerleistung haben. Der Akku ist stärker (48V vs 36V ergeben etwa 460Wh vs 380Wh), vorne gibt es eine rostanfällige Federgaben und daraus ergibt sich ein deutlicher Nachteil: Das Gewicht (31kg vs 19kg). Der Akku ist entnehmbar, aber das regelmäßig herumzutragen klingt jetzt nicht so spannend. Das fiido hingegen kann man nur mit Umbau auf Akku-entnehmbar bringen, was für mich kein Problem ist, im Gesamtpaket ist es für mich stimmiger. Beide Räder sind im Auslieferzugstand nicht konform zur StVZo, beide haben Gasgriffe die über 6 km/h hinausgehen. Das sollte man bedenken. Bestellt, aus Tschechien per Spedition geliefert (kein Zoll!), ausprobiert.
Fazit
Wie schlägt sich das fiido D4s?
Bei ausführlichen Testfahrten auf meinem abgesperrten Testgelände ;-) war es überwiegend wacker. Der Motor setzt etwas spät ein und schiebt etwas länger als sich die Kurbel bewegt, lässt sich aber per Bremse abschalten. Easy, braucht keine große Gewöhnung. Tretunterstützung gibt es wahlweise bis 15, 20 oder 25 km/h. Der Gasgriff geht ebenfalls bis 25, wenn man die Sperre ausschaltet bis ultimo: Das sind dann in der Ebenen schonmal so 36-38 km/h. Natürlich verboten, egal wie schnell: Hier ist man schnell im Bereich von Straftaten (Pflichtversicherungsgesetz). Der Gasgriff sorgt dafür, dass aus dem “freien” Pedelec ein E-Bike (=Mofa) oder Kleinkraftrad wird. Vor dem Wechsel in den öffentlichen Verkehrsraum muss man also entweder den Gasgriff stilllegen (Kabel kappen) oder eine andere Steuerelektronik verbauen, bei der er auf 6km/h gedrosselt wird. Umbauanleitungen findet Google. Inwiefern eine “Schaltbarkeit” in Ordnung ist ist mir leider nicht bekannt: Dann könnte man, je nach Verkehrsraum, den Griff nutzen oder konform abschalten. Praktisch wäre das ja.
Ansonsten: Die Bremsen sind nix gescheites. Quietschen, rubbeln, da ersetzt man am besten die mechanischen Sättel durch ein paar wertigere. Die Limitierungen der Kettenschaltung musste ich anpassen, aber das ist schnell gemacht. Rücklicht muss man extra besorgen und anbauen, genauso Front- und Speichenreflektoren. Das Standard-D4s kommt ohne Schutzbleche. Einen Gepäckträger wünsche ich mir auch noch. Ansonsten habe ich ein paar 100 km hinter mich gebracht und bin begeisterter fiido-Fahrer: Es erfüllt meine Anforderungen, definitiv kein Schrott, auch wenn man das eine oder andere verbessern möchte. Würde ich wieder kaufen.