Aus dem Leben eines teilselbständigen Softwaremenschen

Auftakt

Der Wecker klingelt um halb 9. Unter Zuhilfenahme zweier konzentierter Ladungen Koffein aus dem Repertoire von Matthias (jo, der hat auch guten Kaffee!) wird der Morgen langsam erträglich.

Erster Akt

Um 9 Uhr sitze ich an der Kiste und beschäftige mich mit rust. Derzeit fahren wir im Team bei der EBU eine “week+”, was letztlich heißt, dass wir eine Woche lang Zeit nehmen um Probleme, die nicht im Kerngeschäft laufen, zu lösen. Ich habe mir vorgenommen, eine in python gebaute API in hoffentlich performanteren Sprachen rudimentär nachzubauen, um auszuloten ob sich ein Umstieg bzw eine Neuimplementierung lohnt. Rust schien mir trotz der üblen Lernkurve aufgrund der vielversprechenden Eigenschaften in Sachen Speed interessant. In Go wird auch noch gebaut, deutlich leichter zu implementieren, aber trotz des guten Garbage Collectors ist da halt immernoch ein Garbage Collector am machen. Den Tag über, lediglich unterbrochen durch eine 20-Minütige Mittagspause und 10 Minuten auf dem Balkon in der Sonne, beschäftige ich mich mit der Sprache und meinem Vorhaben. Am Ende habe ich eine Anwendung, die eine API bereitstellt und eingehende Requests nach Kafka weiterschiebt. Asynchron, fix, halbwegs schön. Prima!

Zweiter Akt

Um 18.30, nahtlos im Anschluss an meinen “normalen” Arbeitstag habe ich eine Verabredung zum Pairing für ein Projekt der Techgenossen. Wir bauen eine Kinderradioanwendung im Web, mit react. Die nächsten 2 Stunden beschäftigen wir uns mit der Loginfunktion, fragen uns warum Cookies nicht gespeichert werden, API-keys falsch und personalisierte Token nicht stimmen. Das Backend läuft beim Kunden, das Frontend beim Entwickler lokal, wir verwenden einige Nerven darauf das ins Zusammenspiel zu bekommen. Am Ende habe ich einen lokalen Proxy mit apache2 realisiert, der die Requests je nach Pfad an das Backend reicht - oder eben nicht, und auf die lokale Anwendung verweist.

Zwischenspiel

Mit einer anderen Kollegin treffe ich mich um 20:35, wir wollen in das PayPal-Konto eines kleinen Münchner Medienunternehmens schauen um herauszubekommen, warum die Bestellungen in ihrem Online-Shop nicht funktionieren. Der PayPal-Account hat ein zweistufiges Login mit SMS an den Accountinhaber, wir kommen hier nicht weiter. Noch kurz anderen Kram besprechen, weiter im Text.

Dritter Akt

Die Geschichte mit dem Proxy aus dem zweiten Akt lässt mir keine Ruhe. Ich beschließe, den Kollegen zuliebe, das ganze möglichst einfach nutzbar zu machen und verdockere die Frontentanwendung und den Proxy. Bis alles klappt, inklusive der Websocket-Verbindungen, patches in der Apache-Konfiguration, hot-reload der Anwendung etc pp bla und ausspielfest ist es kurz vor 22 Uhr.

Finale

Jetzt schreibt man denen, die sich immer fragen was so ein Sesselpupser so macht, das mal alles auf. So irre wie heute sind die Tage nicht immer, aber nach netto 12½ Stunden bin ich fertig. Aus. Müde. Alle. Eigentlich wollte ich heute noch in die Wanne, nötig wäre es, aber so werde ich mir wohl nur noch ein Glas leckersten Whisky gönnen und mich ablegen. Ja, ich sitze den ganzen Tag herum, vor einem Laptop, kann am Ende aber genauso platt sein wie zu den Zeiten, in denen ich noch Gerüste gebaut habe. Und ungesünder ist es vermutlich auch.

Gute Nacht.